Über die NEPAL YOUTH FOUNDATION
aus dem Englischen übersetzt von Ramona Graf
Die Geschichte von Olga Murray und der Nepal Youth Foundation
Wie alles begann
Im Jahr 1984 besuchte Olga Murray, die 64-jährige Anwältin des Obersten Gerichtshofs von Kalifornien, Nepal als Touristin, um dort zu wandern. Als Vollblut-Reisende hatte Olga den Hang, sich in Länder „zu verlieben“ – aber mit Nepal war es etwas ganz Besonderes.
An ihre Freunde schrieb Olga: „Als ich Nepal zum ersten Mal bereiste, war ich überwältigt von der Schönheit der Landschaft und der exotischen Umgebung, aber ganz besonders von den Kindern, denen ich dort begegnete. Ihre Armut überstieg alles, was ich bislang gesehen hatte. Sie waren in Lumpen gekleidet, sehr schmutzig, schlecht ernährt und meist nicht gebildet – aber sie hatten eine erstaunliche Fähigkeit sich zu freuen. Ich dachte mir, dass ich für das Geld, das ich für einen Haarschnitt in den USA ausgebe, in ihren Leben einen bedeutsamen Unterschied machen könnte. Entschlossen, einen Weg zu finden ihnen zu helfen, kehrte ich nach Hause zurück.“
Im darauffolgenden Jahr war sie wieder in Kathmandu. Dort traf sie einen Freund, der als freiwilliger Englischlehrer in einem Waisenhaus für Jungen namens Paropakar (dem ersten in Kathmandu) arbeitete. Das Waisenhaus, in dem 45 Jungen im Alter von 5 bis 16 Jahren untergebracht waren, lag an den Ufern eines verdreckten Flusses in einem der überfülltesten, lautesten und am stärksten verschmutzten Stadtteilen. Der Toilettenbereich war scheußlich und es gab kein warmes fließendes Wasser. Alle Jungen schliefen in einem Raum, sie hatten nur wenig Platz um zu spielen und verließen, außer um zur Schule auf der anderen Straßenseite zu gehen, nur selten die Unterbringung.
Doch die Jungen waren aufgeweckt und eifrig. Sie schätzten sich glücklich, wenigstens etwas zu essen und eine Unterkunft zu haben sowie zur Schule gehen zu können. Ihnen ging es besser als tausenden nepalesischen Kindern, denen nichts anderes blieb, als auf der Straße zu leben. Sobald ein Junge aus dem Waisenhaus Paropakar 16 wurde und die 10.Klasse abgeschlossen hatte, erwarteten ihn unglücklicherweise eben diese Straßen. Zu diesem Zeitpunkt musste jeder Junge, völlig unvorbereitet für das Leben draußen, das Waisenhaus verlassen. Die Familienverbindungen bedeuten in Nepal alles, doch diese Jungen hatten keine Verwandten, die ihnen halfen. Viele der Jungen wären in der Universität erfolgreich gewesen. Also entschloss Olga zu helfen und bot jedem Jungen, der das Waisenhaus Paropokar zum Ende der 10. Klasse verließ und die Aufnahmeprüfung der Universität bestand, ein Stipendien für ein Studium an. Im ersten Jahr bestanden fünf Jungen von Paropakar die Prüfungen und verdienten sich eines von Olgas Stipendien. (Seitdem erhielten, dank der Großzügigkeit der Spender und Spenderinnen, viele Paropakar-Jungen ein Stipendium von NYF.)
„Doch immer noch konnte ich nicht genug von Nepal bekommen“, sagte Olga. „Zwei Jahre später ging ich auf die nächste Wanderung – und brach schlagartig mein Bein.“ Um zu erfahren warum Olga glaubte, dass dies das Beste war, was ihr passierte, lesen Sie bitte weiter!
Gebrochenes Bein, gebrochene Kinder
Olga Murray verliebte sich in Nepal. Bei ihrer Wanderung im Himalaya rutschte sie jedoch aus und fiel. Tagelang lang wurde sie in einem Korb auf den Schultern eines nepalesischen Trägers nach Kathmandu zurückgetragen. Dort konsultierte sie einen jungen nepalesischen Orthopäden, der gerade ein kleines Krankenhaus für Kinder eröffnet hatte. Die Behandlungen waren kostenlos und von hoher Qualität. Jeden Tag sah sie nun Kinder, die mit den schrecklichsten Verletzungen und Behinderungen zum Krankenhaus gebracht wurden. Oftmals wurden sie tagelang Bergwege hinuntergetragen, begleitet von benommenen Verwandten, die niemals ihre Dörfer verlassen hatten geschweige denn Autos oder elektrisches Licht gesehen hatten.
Einige dieser Kinder wurden von ihren Familien im Krankenhaus gelassen, weil diese zu arm waren ein Kind zu ernähren, das nicht zu ihrem Überleben beitragen konnte. Andere waren so stark beeinträchtigt, dass sie zurück in ihren Dörfern nicht mehr über die Bergwege zur Schule gehen konnten. Noch andere lebten unter unerträglichen Bedingungen zu Hause. Mit Freunden begann Olga einigen dieser Kinder ebenfalls Stipendien zu geben. 1990 hatten schon einige Menschen von Olgas Arbeit gehört und wollten auch helfen. Die Nepal Youth Foundation wurde im Jahr 1990 gegründet und erhielt von der amerikanischen Steuerbehörde eine Steuerbefreiung. Zwei Jahre später begab sich Olga Murray nach 37 Jahren als Anwältin im Obersten Gerichtshof von Kalifornien in den Ruhestand. Sie begann all ihre Zeit dem Wohlergehen nepalesischer Kinder zu widmen.
Im Jahr 1992 entstand das erste Haus für Kinder der NYF, das J-Haus für Jungen. Es war ihr Herzenswunsch einer Gruppe von obdachlosen Jungen, die zuvor gemeinsam durch ein NYF Stipendium ein Internat besuchten, zu ermöglichen weiterhin in einer familienartigen Einheit zusammenzuleben. Die Schule hatte sich aus verschiedenen Gründen als unzureichend erwiesen, doch Olga und die Mitglieder von NYF konnten kein Internat finden, das die Gruppe der Jungen gemeinsam aufgenommen hätte. Wir wollten sie nicht trennen, weil sie sich so ans Herz gewachsen waren und die Älteren so fürsorglich mit den jüngeren „Brüdern“ umgingen. Deshalb mieteten wir eine kleine 2-Zimmer-Wohnung und stellten einen Betreuer ein. Die Jungs benannten es selbst, aufgrund der Lage des Hauses im Stadtteil Jawalakhel von Patan, einem städtischen Gebiet von Kathmandu, „J House“.
Nach zwei Jahren war das erste J-House überfüllt, deshalb brachten wir die Kinder in ein größeres und wohnlicheres Zuhause. Damals haben wir auch einige Mädchen aufgenommen und das J House wurde gemischt, sodass im oberen Geschoss sechs Mädchen lebten. Im Jahr 1994, platzte sogar das größere Haus aus sämtlichen Nähten. Denn es ist schwierig diese Kinder abzuweisen! Wir mieteten ein anderes Haus in der Nähe – und so entstand das K House (für Mädchen).
Man sollte denken, dass die Fürsorge für mehr als 40 ungestüme Kinder und Jugendliche und die Unterstützung Dutzender Schüler und Studenten bereits eine Handvoll war. Doch in Kathmandu gab es wo immer man sich hindrehte, noch weitere Möglichkeiten zu helfen. Über lokale Ärzte lernten wir ein weiteres dringendes Problem kennen. Stellen Sie sich eine 16-jährige Mutter aus einem ländlichen Gebiet vor, die ihr krankes, schlecht ernährtes Kleinkind für mehrere Tage auf ihrem Rücken über holprige Bergwege in ein Krankenhaus nach Kathmandu trägt, sodass eine Infektion behandelt werden kann. Das Kind ist von der Infektion geheilt, wird aber abgemagert entlassen – dies war eine allzu gängige Praxis in den überfüllten Krankenhäusern. Niemand hatte dieser jungen Mutter beigebracht, wie sie mit den Nahrungsmitteln, die in ländlichen Gebieten erhältlich sind, ein nahrhaftes Essen zubereiten kann. Mit ihrem immer noch unterernährten Kind, beginnt sie den langen Weg zurück in ihr Dorf, wo ihr Kind durch die Mangelernährung potentiell schrecklichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen ausgesetzt ist? Oder greift jemand ein?
Lebensrettende Maßnahmen
Im Jahr 1996, während eines Besuches im Kanti Krankenhaus für Kinder in Kathmandu, lernte Olga Murray ein fünf Jahre altes Mädchen kennen, das mit einer schweren, durch Mangelernährung verursachten Lungenentzündung, aufgenommen wurde. Ihre Infektion wurde geheilt, aber sie wurde (obwohl sie nur wenige hundert Gramm zugenommen hatte und nicht stehen oder gehen konnte) entlassen. Das Krankenhaus benötigte das Bett für wirklich kranke Kinder. Wie wir herausfanden, war es nicht unüblich, dass Kinder entlassen wurden sobald ihre Infektion abklang, obwohl sie immer noch erbärmlich unterernährt waren.
Im Jahr 1998 starteten wir mit dem ersten Nutritional Rehabilitation Home (NRH) mit der Empfehlung und in Kooperation mit einem bekannten Kinderarzt des einzigen Kinderkrankenhauses des Landes. Das NRH bot lebensrettenden Maßnahmen an, die die Gesundheit des Kindes wieder herstellten und die Mutter in der Zubereitung nahrhaften Essens und der Fürsorge für ihr Kind schulten. Das NRH Programm ist ausgesprochen effektiv. Das Zentrum befindet sich in der Nähe eines der wichtigsten Allgemeinkrankenhäuser in Kathmandu. Es besitzt einen großen Gemüsegarten und hat viel Platz, wo die Mütter über die Ernährung lernen können und die wieder stark gewordenen Kinder lernen können, wie auf einem Spielplatz gespielt wird.
Nicht lange nachdem wir das NRH gegründet hatten, wurde der Vorsitzende der NYF, Som Paneru, auf ein weiteres dringendes Problem aufmerksam, das wir einfach lösen wollten. Im ländlichen Westen Nepals werden Mädchen von ihren verarmten Familien in die Sklaverei verkauft. Üblich für die NYF legten wir sofort los. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern von dort, besuchten wir die Gegend. Dort arbeiteten wir eng mit den Dorfbewohnern zusammen, um innovative und effektive Wege zu finden den Verkauf von Töchtern zu verhindern. Dieses „Indentured Daughters Program“ war so erfolgreich, dass sich die Größe im ersten Jahr vervierfachte und seitdem mehr als 11,000 Mädchen gerettet werden konnten. Anstatt verkauft zu werden bleiben tausende von Mädchen nun bei ihren Familien, erhalten ein Ferkel oder eine Ziege und gehen zur Schule.
Als die Nepal Youth Foundation bei „The Oprah Show“, einer bekannten Talkshow in den USA, im Mai 2002 vorgestellt wurde, boten tausende von Spendern und Spenderinnen ihre Unterstützung für das Projekt und weitere lebensrettende Maßnahmen an. Diese Unterstützung ermöglichte es uns mehr Mädchen zu retten. Noch immer benötigen viele Hilfe. Wir arbeiten langfristig mit diesen Mädchen und ihren Gemeinden. Die NYF ist nahe am Ziel den Brauch der Sklaverei der Mädchen zu beenden. In den Jahrzehnten, in denen wir mit Kindern in Nepal gearbeitet haben, ist die NYF größer geworden und unterstützt nicht nur eine größere Anzahl von Kindern, sondern auch die Möglichkeiten der Hilfe sind größer geworden. Was sich nicht verändert hat ist das intensive Gefühl von Erfüllung und Glück, das wir durch unsere Beziehung mit diesen lebendigen und liebevollen Kindern bekommen und die Bewunderung ihres Mutes und der Freude mit der sie die leidvollen Erfahrungen ihres früheren Lebens überwinden.
Mit Ihrer Hilfe können wir weiterhin die Leben, von einigen der bedürftigsten Kinder der Erde, verändern.
Dieser Artikel wurde freundlicherweise von Ramona Graf aus dem Englischen übersetzt. Vielen herzlichen Dank!